Großer Förderer des Rugby-Nachwuchses
Zur Erinnerung an Jörg Schäufele (1941 – 2022)
Der Sportclub Neuenheim 02 hat am 5. März 2022 Abschied von seinem verdienten Ehrenmitglied Jörg Schäufele genommen – zunächst im Trauerhain auf dem Heidelberger Bergfriedhof und dann im Klubhaus in der Tiergartenstraße, wo sich eine große Trauergemeinde ihm zu Ehren eingefunden hatte. Jörg hat uns am 11. Januar völlig unerwartet verlassen müssen. Der geistig so rege und bis in die Stunden vor seinem Tod körperlich so aktive Mann, Zeit seines Lebens ein asketischer Athlet, ist sanft entschlafen. Es mag uns ein Trost sein, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht leiden musste. Lange Krankheit und Siechtum hätte Jörg sicherlich als Zumutung empfunden und nur schwer ertragen.
Jörg Schäufele ist am 14. November 1941 in Neuenheim geboren und wurde 80 Jahre alt. Er war bis zuletzt eines der aktivsten Mitglieder unseres Vereins. Er wirkte gerne auf dem grünen Rasen als Jugendförderer, Trainer und Teammanager der zweiten Mannschaft. Versammlungen mochte er nicht, große Worte machte er nie, auch seine Freude über die sportlichen Fortschritte seiner Spieler und deren Erfolge genoss er gerne still. Jörg war ein tiefgründiger Mensch, der – obwohl alleinstehend – die Freundschaft über alles liebte und Freundschaften lebenslang pflegte. Umso tiefer sitzt der Schock über seinen Tod bei allen Freunden, die ihn näher kannten und wegen seines freundlichen Wesens und seiner Treue besonders schätzten. „Jörg ist tot“, ließ uns sein Freund Ludwig Karch am 12. Januar wissen. „Das gibt’s doch gar nicht“, war wohl die häufigste Reaktion von uns Fassungslosen.
Jörg wird seit Januar 1963 als SCN-Mitglied geführt, nachdem sein Klassenkamerad und Freund Martin Frauenfeld den begeisterten Schwimmer, Skiläufer und Sonnenanbeter mit zum Sportplatz genommen hatte. Jörg ist in der Schröderstraße 25 aufgewachsen und hat die Mönchhofschule und das Bunsen-Gymnasium besucht. Sein erstes Spiel in der zweiten Mannschaft absolvierte er am 10. November 1963 in einem mit 0:18 verlorenen Freundschaftstreffen gegen die erste Mannschaft des Heidelberger Ruderklub als rechter Außendreiviertel neben den beiden Innendreivierteln Rudolf Zimmermann und Heinz Hilss und hinter den Stürmern Walter Niebel als Hakler und Fritz „Itzer“ Ehhalt als Sturmführer. Jörgs erstes Punktespiel fand eine Woche später in der Oberliga Baden gegen den Heidelberger Turnverein statt. Beim 6:0-Sieg wurde er als linker Eckdreiviertel neben Peter Bayer und Hans „Jack“ Baumgärtner eingesetzt.
Leider enden im deutschen Meisterjahr 1966 die Aufzeichnungen des Chronisten über die zweite Mannschaft. Doch als ich in der Saison 1973/74 meine ersten Spiele in der zweiten Mannschaft absolvierte, war Jörg ein kampf- und konditionsstarker Mitstreiter. Er war zunächst in der Dreiviertelreihe, ab 1965 aber auch in der zweiten Sturmreihe eingesetzt worden, „weil er federleicht war und hoch springen konnte“, wie sich der Nationalspieler Heinz Hilss erinnert. Mit der zweiten Mannschaft feierte Jörg schöne Erfolge: So einen süßen 6:3-Sieg über den TSV Handschuhsheim II im April 1965, als er an der Seite seines Freundes Manfred „Störchl“ Markmann und hinter Fritz Blank im Gedränge drückte. So beim 12:10-Sieg bei Eintracht Frankfurt, als der 18-jährige Gerhard Sammet sein erstes Rugbyspiel bestritt. Und so beim 50:3-Sieg über die Rudergesellschaft Heidelberg II im März 1966 an der Seite von Rolf Hönig und hinter dem blutjungen Hakler Hans Pfeil.
Sein letztes Spiel bestritt Jörg an meiner rechten Seite in der ersten Mannschaft. Am 7. November 1979 – Jörg war schon 37 – sprang er beim Club Manuel Belgrano in Buenos Aires für einen verletzten Mannschaftskameraden ein. Jörg erlitt in einem zusammenstürzenden Gedränge einen doppelten Rippenbruch, wir verloren mit 0:29, doch er hielt die gesamte Südamerika-Tournee tapfer durch, obwohl er vor allem am Strand von Copacabana in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt war. Teamarzt Dr. Walter Ueberle, den wir von der RGH ausgeliehen hatten, verabreichte die Schmerztabletten meistens mit Zuckerrohrschnaps.
Schon ein Jahr vor unserer Tournee nach Argentinien, Paraguay und Brasilien hatten Jörg Schäufele und Martin Frauenfeld die Trainingsleitung unserer A-Jugendmannschaft von Dieter Uhrig übernommen, der das Team acht Jahre lang geformt hatte. Die Endrunde der deutschen Meisterschaft auf unserem Sportplatz wurde zum Triumph. Nach Siegen über den Berliner RC, den SC Frankfurt 1880 und Hannover 78 war der SCN-Nachwuchs deutscher Meister. 1985 gelang der Titelgewinn auch unserer B-Jugend, die von Jörg und Dieter Stephan betreut wurde, und 1987 folgte in Köln ein weiterer A-Jugend-Meistertitel durch die fitteste SCN-Mannschaft aller Zeiten, die mit den Trainer Jörg Schäufele und Martin Friedel ebenso viel Zeit auf den Waldwegen rund um die Thingstätte verbracht hatte wie auf dem Sportplatz. Drei deutsche Meisterschaften waren also Jörgs großartige Ausbeute, doch denkwürdig waren auch die Spielreisen 1982 nach Coulommiers und 1984 nach Hyères und Nizza.
Jörg verstand es nicht nur, Teams zu formen und zu Meisterehren zu führen, sondern er kümmerte sich auch um die individuelle Ausbildung seiner Spieler und machte alle, die sich gerne darauf einließen, zu sehr guten Spielern. Das gilt für die beiden deutschen Rekord-Nationalspieler Alexander Widiker und Clemens von Grumbkow ebenso wie für unseren Weltauswahlspieler Kay Kocher und die Nationalspieler Fred Herzog, Martin Friedel, Jacob Scheurich und viele andere liebe Sportfreunde, die mit dem SCN erfolgreich waren und nun um ihn trauern. „Jörg war der Trainer, der mich am meisten geprägt hat“, sagte Sascha Braun, heute unser Jugendwart.
Auch fernab des SCN-Platzes hat Jörg mit uns Neuenheimern Sport getrieben. Sei es bei den Ski-Freizeiten in Saas-Fee, Crans Montana oder St. Anton, sei es bei den Bade- und Sporturlauben in Lit-et-Mixe, wo er seit Mitte der 1960-er Jahre eine zweite Heimat gefunden hatte und wo er seinen Gaumengenüssen mit edlem Rouge und köstlichen Fischen und Meeresfrüchten frönen konnte und mancher Neuenheimer Rugbyspieler zum Feinschmecker ausgebildet wurde.
Jörg war ein spendabler Mensch, der seine Freunde jahrelang zu diesen Urlauben an der Atlantikküste einlud und den SCN immer wieder sehr großzügig unterstützte. So trug er wesentlich zur Finanzierung unserer beiden Spitzentrainer bei und ließ auch manchen Euro springen, wenn er unsere zweite Mannschaft als Teammanager an der Seite Uwe Schwagers zu Auswärtsspielen begleitete. Dafür möchte ich Jörg post mortem nochmals herzlich danken.
Ich werde Jörg Schäufele auch als Berufskollege nie vergessen. Er, der Redakteur des Mannheimer Morgen, hat mich 1978 zu meinem ersten Eishockeyspiel – Mannheimer ERC gegen Bad Nauheim – ins Eisstadion mitgenommen. Es war auch mein letztes Eishockeyspiel, denn die dort herrschende Kälte war mir unerträglich. Später haben wir viele Sportveranstaltungen gemeinsam besucht: Bei den Basketballern des USC Heidelberg, bei Grün-Weiss Mannheim, wo Boris Becker spielte, und beim Heidelberger Tennis-Club neben dem Zoo, wo die deutschen Meistertitel mit Steffi Graf und Anke Huber gefeiert wurden. Den eingangs erwähnten Gerhard Sammet hat Jörg 1972 nach Bukarest begleitet, wo unsere Rugby-Nationalmannschaft den Europameister Rumänien mit 11:10 besiegt und damit Rugby-Geschichte geschrieben hat. Der Bericht über die „Helden von Bukarest“ in der Deutschen Rugby-Zeitung stammte aus der Feder des sachlichen, unaufgeregten und stets freundlichen Sportredakteurs Jörg Schäufele – auch in seinem Beruf ein wahrer Könner.
Claus-Peter Bach